Offener Brief der Münchner Laufgemeinschaft an Oberbürgermeister Dieter Reiter und die Stadt München

Wie wird das Erbe der Premierenveranstaltung aus dem 1983 weitergeführt? Mehrere Veranstalter sind bereit, doch die Stadt denkt anders als die Menschen und Läufer

Bayerische Laufzeitung, 28. April 2025

Offener Brief der Münchner Laufgemeinschaft an Oberbürgermeister Dieter Reiter und die Stadt München

München, 28.04.2025

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter,

sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Stadt München,

mit großer Bestürzung haben wir als Münchner Laufgemeinschaft die Äußerungen der Stadt München im Rahmen der Gerichtsverhandlung zum München Marathon zur Kenntnis genommen. Besonders irritierend war die klare Priorisierung verkehrstechnischer Aspekte vor jeglicher sportlicher, gesellschaftlicher oder touristischer Bedeutung des Marathons durch das Kreisverwaltungsreferat. Die Aussage der KVR-Sprecherin Beate Winter, dass „die eingereichten Verkehrskonzepte die entscheidenden Kriterien“ bei der Auswahl der Veranstalterin seien, empfinden wir als sportpolitisches Armutszeugnis – in einer Stadt, die sich sonst gern als weltoffene Sportmetropole präsentiert.

Während andere Städte Marathon feiern, diskutiert München über Straßensperrungen

Der Kontrast zu anderen Städten könnte größer kaum sein. Berlin hat längst vorgemacht, was möglich ist, wenn eine Stadt den Marathon nicht nur duldet, sondern lebt. Der Berlin Marathon ist weltberühmt – nicht nur für seine Strecke, sondern für die Begeisterung der Stadt, die Stimmung an jeder Ecke, die großartige Organisation. Für viele ist das Berlin-Marathonwochenende ein Fest der Bewegung, ein sportliches Volksfest mit internationaler Strahlkraft.

Auch Städte wie  Köln und Frankfurt zeigen, wie es geht: Mitreißende Stimmung, attraktive Streckenführungen, gezielte Stadtmarketing-Kampagnen – und ein echtes Bekenntnis zum Laufsport. Hier denkt niemand darüber nach, ob der Marathon „stört“, sondern wie man ihn zu einem Highlight macht – und dies mit Erfolg.

Und München?

In München hingegen laufen die Teilnehmer teilweise kilometerlang durch menschenleere Gegenden. Die Strecke ist unspektakulär, die Stimmung bis auf wenige Ausnahmen wie dem Marienplatz verhalten. Vor allem in den letzten Jahren wurde der München Marathon in der Laufszene immer mehr als bedeutungslos abgetan – als vergleichsweise unspektakuläres Event in einer Stadt, die es besser könnte, aber offenbar nicht will.

Dabei gäbe es jetzt die Chance zur Wende. Der Veranstalterwechsel wurde von der Laufszene mit großer Hoffnung aufgenommen. Endlich ein Neuanfang, endlich frischer Wind. Viele Läufer*innen, die dem Event jahrelang fernblieben, meldeten sich erstmals wieder an. Doch der nun angestrebte Zusammenschluss des neuen Veranstalters mit dem alten Veranstalter wirkt nun wie ein Rückfall in alte Muster – und das Verhalten der Stadt wie ein Desinteresse an der Entwicklung des Events.

Sportstadt oder nur Bierstadt?

Wir Sportlerinnen und Sportler bekommen zunehmend den Eindruck, dass in München vor allem das Oktoberfest zählt – und der Bierumsatz. Der Laufsport hingegen scheint weder politisch noch wirtschaftlich von Bedeutung zu sein. Dabei bringt ein moderner Marathon mehr als nur Bewegung: Er bringt ähnlich wie ein Oktoberfest Sichtbarkeit, Vielfalt, Tourismus, Gemeinschaft – und nicht zuletzt einen großen wirtschaftlichen Nutzen.

Die Stadt als Teil des Problems – oder Teil der Lösung?

Wir fordern von der Stadt München ein öffentliches Bekenntnis zum Marathon. Eine Unterstützung, die mehr umfasst als Genehmigungen und Verkehrslenkung. Es geht darum, gemeinsam mit den Veranstaltern an einem Ziel zu arbeiten: München als echte Marathonstadt zu etablieren – mit einer attraktiven Strecke, begeistertem Publikum und einer Signalwirkung über die Stadtgrenzen hinaus.

Ein starker Stadtmarathon bedeutet:

  • Sportliche Sichtbarkeit für eine aktive Stadt
  • Internationale Aufmerksamkeit durch Teilnehmer*innen aus aller Welt
  • Wirtschaftliche Impulse durch tausende Hotelübernachtungen, Restaurantbesuche, Tourismus
  • Gemeinschaftsgefühl durch ein Event, das verbindet statt blockiert

Wenn 30.000 Läufer*innen und mehr nach München kommen, übernachten viele von ihnen ein bis zwei Nächte – meist nicht allein. Familienmitglieder, Begleitpersonen, Fans – sie alle erleben München, konsumieren, genießen, erzählen weiter – und unterstützen die lokale Wirtschaft.

Unser Appell

Herr Oberbürgermeister Reiter,

München kann Marathonstadt sein – wenn Sie und Ihre Verwaltung es zulassen.

Wir bitten Sie eindringlich, sich und die Stadt München klar pro Marathon zu positionieren. Zeigen Sie, dass München den Laufsport nicht nur akzeptiert, sondern schätzt und sein Potenzial. Schaffen Sie die Rahmenbedingungen, damit aus einem bedeutungslosen Laufevent ein deutschlandweit und international gefeiertes Sporthighlight wird.

Sportstadt zu sein bedeutet mehr, als auf vergangene Olympiajahre oder einen Fußballverein zu verweisen. Es bedeutet, den Sport zu leben – auf breiter Basis, für alle Menschen, die sportlich aktiv sein wollen. Und es bedeutet auch, ein Event wie den München Marathon nicht nur zu dulden, sondern stolz zu feiern.

Mit sportlichen Grüßen,

Die Münchner Laufgemeinschaft:

 

–        Munich Running Academy

–        ausschlaggebend – Umwelt Ernährung Sport

–        Lauf-bar GmbH München

–        Run and Chill Club München

–        Run Beat Community München

–        KRAFT Runners München

–        Munich Running Society

–        26.miles Club