Bayerische Laufzeitung, 17. Mai 2025
Ist der Crosslauf noch zeitgemäß?
Von Dr. Wolfgang Blödorn
Diese Frage beschäftigt sowohl Veranstalter als auch Trainer und Läufer, denn Crossläufe führen zunehmend ein Schattendasein. Cross-Meisterschaften werden irgendwo zwischen dem Ende der Bahnsaison und kurz vor der Hallensaison platziert. So als seien sie ein Muster ohne Wert. Aber ist dem wirklich so?
Die Deutschen Waldlaufmeisterschaften wurden gegen Ende der 60er Jahre durch Crossläufe ersetzt. Der DLV versprach sich von dieser Änderung mit der Anpassung an internationale Gegebenheiten eine Verbesserung der lauftypischen Kondition der Athleten. Anscheinend nicht ganz zu Unrecht, wenn man sich die internationalen Erfolge der deutschen Läuferinnen und Läufer bis in die achtziger Jahre ansieht. Von den damaligen Erfolgen sind die heutigen Läufer auf der Mittel- und Langstrecke im DLV noch entfernt. Gibt es demnach Gründe, weswegen man den Crossläufen einen besseren Platz im Wettkampfkalender einräumen sollte?
Zunächst ist es so, dass der Crosslauf, wie jeder Wettkampf und jedes Training, auch ein Kampf gegen sich selbst ist. Das Geländeprofil und das Wetter verlangen allerdings beim Cross ein Mehr an Willensstärke ab wie ein Training im Winter in wärmeren Gefilden und auf ebenen Wegen. Im Gelände, egal ob hügelig, matschig oder gar schlammig, bei Schnee und Eis konkurriert man noch mehr gegen sich selbst als gegen Mitkonkurrenten. Das Dranbleiben fällt beim Laufen bergauf im Cross sichtlich schwerer als im Windschatten beim Straßenlauf oder auf der Bahn. Im Crosslauf spielt die Laufzeit weniger eine Rolle als der Kampf Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau. Crosslauf ist ein intensives Training im Kampf gegen den inneren Schweinehund!
Und es gibt noch weitere positive Seiten des Crosslaufs. Der ständige Wechsel des Geländes fordert mentale Achtsamkeit und Konzentration. Auch auf die Mitkonkurrenten um den Sieg. Das Laufen bergauf und bergab erfordert immer wieder erneut ein Anpassen der Lauftechnik. Dadurch werden koordinative Fähigkeiten geschult. Weiterhin werden beim Crosslauf nicht nur Sehnen, Bänder und Gelenke gestärkt, sondern ebenfalls die Beinmuskulatur. Crosslauf ist sowohl laufspezifisches Krafttraining als auch Verletzungsprophylaxe. Crosslauf ist ein ganzheitliches Training – ein Training für Kopf und Körper!
Im Crosslauf finden i.d.R. Mannschaftswertungen statt. D.h., Crossläufer sind Teil eines Teams. Es gilt besonders beim Crosslauf, sich nicht hängen zu lassen. Dies würde den anderen Läufern im Team schaden. Hier ähnelt der Crosslauf den Wettbewerben in den Langstaffeln. Es wird gemeinsam um den Sieg und die Zeit bzw. um die Platzierung gekämpft. Abschließend wird dann gemeinsam gefeiert. Crosslauf fördert wie die Staffelwettbewerbe den Teamgeist!
Es gibt also gute Gründe, den Crosslauf als Trainingsmittel beizubehalten und zu forcieren! Wo sonst können Läufer und Läuferinnen so einfach ein Training von Willensstärke und Durchhaltevermögen gepaart mit einem Kraft- und Koordinationstraining durchführen und dabei noch den Teamgeist stärken? Der Crosslauf ist nicht aus der Zeit gefallen, sondern für Langstreckler und besonders für Hindernisläufer eine interessante, abwechslungsreiche und ganzheitliche Trainingseinheit!
Zur Ergänzung ein Bericht in der Bayerischen Laufzeitung 2024 von Erwin Fladerer > Bayerische Laufzeitung 2024 Crosslauf